Der
Journalist Rüdiger Becker, Jahrgang 1951,
war von 1977 bis 1985 bei SDR 3 tätig und leitete hier die Redaktion
der Sendung 'Point'.
Vor SDR 3: Geburt, Schule, Pubertät, Jugendsünden, Uni, freie
Mitarbeit im Bayerischen Rundfunk, u. a. bei der noch existierenden
Sendung "Zündfunk".
Nach SDR 3: Leitung der Kinder- und
Jugendredaktion im WDR (bis 1994), Hörfunkkorrespondent des WDR in
Berlin (bis 2000; wieder ab 2008), dazw. Leitung des Ressorts für die
aktuellen Kultursendungen bei WDR 3.
1.
Herr Becker, Sie kamen seinerzeit vom Bayerischen Rundfunk nach
Stuttgart. Was hat Sie damals zu dem Wechsel bewogen?
Ich hatte von dem Konflikt um die Sendung 'Point' natürlich gehört.
Die Stelle für den Nachfolger von Hendrik Bussiek war in der 'Zeit'
ausgeschrieben. Ich hatte mich beworben, weil ich überzeugt war, den
kritischen Kurs von 'Point' weiterverfolgen zu können und dass es
gelingen würde, diese Sendung nicht sterben zu lassen.
2. Bei SDR 3 traten Sie also die Nachfolge von Hendrik Bussiek an,
der ja nicht ganz freiwillig nach Berlin ,versetzt' worden war. Wie
haben Sie versucht, Point trotz der Vorfälle unter Bussiek nicht den
Zahn des "lobbyistischen Sprachrohrs für Jugendliche" zu
ziehen?
Ich habe mich bemüht, gemeinsam mit den Kollegen, die ja alle noch
geblieben waren, die Themensetzung von 'Point' fortzuführen,
gleichzeitig aber versucht, meine Vorgesetzten von der Wichtigkeit eines
solchen Sprachrohrs zu überzeugen. Das war gar nicht so einfach, denn
der Anfang meiner Arbeit fiel in den berüchtigten "deutschen
Herbst". Ich glaube, dass es uns dennoch gelungen ist, in diesem
aufgeheizten Klima das Thema "Terrorismus" kritisch und
differenziert im Programm zu behandeln - von jugendlichen
"Sympathisanten" der RAF bis hin zu jungen Polizisten konnten
alle bei uns ihre Positionen ausführlich und ungefiltert darstellen.
3. Point mutierte im Laufe der Jahre dann aber doch immer mehr zu
einem Musikmagazin. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Ich finde, das ist erst nach meinem Weggang so gekommen. Deswegen kann
ich dazu auch schlecht was sagen.
4. Glauben Sie, dass eine Sendung wie Point auch heute noch eine
Zielgruppe in der Hörfunklandschaft hätte?
Ja, aber sie wäre natürlich ganz anders als damals. Jugendliche haben
heute andere Interessen, sie haben andere Probleme und sind eine
insgesamt weitaus vielschichtigere und weniger abgegrenzte Zielgruppe
geworden. Da die heute 60-Jährigen mit Pop- und Rockmusik aufgewachsen
sind, da die engagierten Jugendliche von damals heute z. B. grauhaarige
Grüne geworden sind, sind die Lebensgefühle anders sortiert - eine
Sendung wie 'Point' würde heute weniger die Jugendlichen als solche
ansprechen, sondern eine sehr gemischt zusammengesetzte Gruppe von
Leuten, die alle ähnlich ticken. Außerdem gibt es heute ganz andere
technische Möglichkeiten dank Internet, Podcasts usw.
5. Welche persönliche Bilanz ziehen Sie aus Ihrer Zeit bei SDR 3?
Für mich war das eine der spannendsten Phasen meines Lebens. Es gab
damals gerade in der baden-württembergischen Provinz, inmitten all
dieser Spießigkeit, eine ungeheure Aufbruchstimmung von Leuten, die
anders leben wollten. Es ist auch kein Zufall, dass Anti-AKW-Bewegung
und Grüne dort früher wach geworden sind als in vielen Großstädten
der Republik. Ich habe viel gelernt in dieser Zeit, ich habe mit einem
tollen Team von Kollegen zusammengearbeitet und dass ich heute, mehr als
20 Jahre später, noch Fragen zu 'Point' beantworten darf, zeigt, dass
wir doch irgendwie Spuren hinterlassen haben...
|
|
|