Vita (Peter Kreglinger
über Peter Kreglinger)
Geboren und aufgewachsen im
Nachkriegs-Stuttgart – als Halbwüchsiger jedoch nach
München verpflanzt und nach dem Abitur nebst
Germanistik-Studium auch einer Sprech-Erziehung (schönes
Wort!) beim Bayerischen Rundfunk teilhaftig geworden,
gehört Peter Kreglinger zu den raren Schwabenexemplaren,
die "alles können, sogar Hochdeutsch". Seiner Vorliebe für
Musik frönte er Anfang der Siebziger als Diskjockey bei
Bayern 3: ob Jimi Hendrix, Herb Alpert oder Joe Cocker, er
interviewte sie alle.
Als der Süddeutsche
Rundfunk ihn nach Stuttgart rief, folgte Peter Kreglinger
gern, moderierte vom NOTIZBUCH bis POINT alles (außer
Sport), verlor aber spätestens beim "Philly-Sound" die
Lust an der Popmusik - und wollte ja auch nicht als
"Berufsjugendlicher" enden. Also besann er sich auf die
zweite seiner Vorlieben, das Kino - und führte Anfang der
Achtziger Jahre die bis dahin sträflich vernachlässigte
Filmkritik im Radio wieder ein.
Nach einem
Intermezzo als Redakteur/Realisateur der ersten
regelmässigen Kindernachrichtensendung im deutschen
Fernsehen – DURCHBLICK - etablierte Peter Kreglinger 1983
auf der Südschiene (SDR/SWF/SR) im Dritten Fernsehprogramm
die Filmsendung KINOKALENDER. Die lief mit großem Erfolg
(und 84 Ausgaben) bis 1990: von Fellini und Ken Russell
über Michelle Pfeiffer und Robin Williams bis Kirk und
auch Michael Douglas - er interviewte sie alle.
Nachdem sich die Öffentlich-Rechtlichen in den vergangenen
Jahren (mit Formatradio und Quotenhörigkeit!) mehr und
mehr von früheren Qualitätsansprüchen verabschiedet haben,
hat sich Peter Kreglinger mehr und mehr von ihnen
verabschiedet - und arbeitet heute nur noch nach dem
Lustprinzip als freier Filmjournalist, Kulturkritiker und
Rezitator.
1. Herr Kreglinger, sie haben Ihre
Radio-Laufbahn beim Bayerischen Rundfunk begonnen,
wechselten dann allerdings zum Südfunk nach Stuttgart. Wie
kam es dazu?
Mir ist wichtig, darauf
hinzuweisen, daß der BR damals wohl der einzige Sender
gewesen sein dürfte, der zum einen Sprecher nach Herkunft
auswählte (durften nur aus Süddeutschland und äußersten
Falles noch aus Österreich stammen ) - und zum andern
diesen jungen Sprechern dann auch eine gediegene
Ausbildung angedeihen ließ, (Bühnendeutsch,
Sprecherziehung, Zwerchfellatmung etc pp) bevor sie ans
Mikrofon gelassen wurden. (Anders als heute, wo ja selbst
der Deutschlandfunk nicht mal mehr Mindest-Standards hat
bei der Auswahl der Sprecherinnen.)
Im Gegensatz
zum heutigen SWR, wo die meisten Sprecher/innen ja „ Tach
für Tach mit dem Ratt gefaaaahn und im Batt das Gass
vabraucht haben...“ also mit meist norddeutschem
Zungenschlag reden, haben BR-Sprecher immer noch eine
sprachliche Färbung, die unter anderem auch zur
Identifikation mit dem Sender beiträgt. Nach meinem
Studium (München/Heidelberg) und der Ausbildung beim BR
(Vertrag ab 1966) durfte ich so ab Mitte 1967 erstmal um 5
Uhr früh die Marktberichte verlesen…: “Kühe schleppend,
Schweine flott...“ (Gemeint war der Verkaufsverlauf) und
dann gegen 9 Uhr den „Suchdienst des Roten Kreuzes“
mittels dessen Kriegsvermißte gesucht wurden. Das war eine
sehr gute Schule, den der dauerte 15 Minuten – wie ein
5000-Meter-Läufer seine Strecke mußte man sich also den
Text einteilen, denn war man zu schnell, fehlte einem am
Ende Text, war man zu langsam, mußte man zum Schluß noch
hudeln, um alles noch vor den Nachrichten unterzukriegen.
In jenen Jahren (Ende der Sechziger) hatte die ARD
wohl mal Krach mit der GEMA, die schlagartig mehr Geld
wollte. Also spielten sie beim BR eine Zeitlang nur quasi
GEMA-freie Musik, Eigenaufnahmen, meist Hugo Strassers
Tanzorchester. Allerdings gab es einen Ostblock-Sender,
der trotz „Eisernem Vorhang“ im Sendegebiet des BR zu
empfangen war - Radio Prag – und der spielte nun munter
die Stones und die Beatles rauf und runter zwischen der
üblichen „kommunistischen Infiltration“. Um diesem
Verderbnis der bayerischen Jugend entgegenzutreten,
einigte man sich mit der GEMA und etablierte auch gleich
eine Popmusik-Sendung, die sich vom „Wunschkonzert mit
Fred Rauch“ doch erheblich unterschied: im CLUB 16 (ab 16
Uhr) durften wir damals quasi als „erste DJs“ Platten vom
Plattenteller abspielen: es gab in einem sogenannten
„Selbstfahrstudio“ zwei, später drei Laufwerke, dazu
Regler für Mikro und Telefon, fertig war die
öffentlich-rechtliche Disco. Da lief dann nicht mehr
Heimweh von Freddy Quinn, da konnten wir von Udo Jürgens
bis Bob Dylan, Donovan, Melanie und Blood,Sweat and Tears
alles spielen, was wir wollten. Ich legte nach Lust und
Laune auf, brachte zur Sendung meist 20, 30 Platten mit -
und der Programmablauf entstand ad hoc nach Gusto – der
sogenannte „Laufplan“ (die gespielten Titel für die
GEMA-Abrechnung) wurde meist erst hinterher erstellt. Das
lief (if memory serves me right) zuerst auf Bayern 2,
später dann auf Bayern 3 – nebenbei gesagt die erste
Service- oder Autofahrerwelle in der Bundesrepublik,
Vorbild war das von Rudi Klausnitzer mitbegründete
Ö3-Programm in Österreich.
Jahre später schmückte
sich der Dudelfunk aus Baden-Baden mit dem kühnen
Werbespruch „SWF 3 - Das Original“ Kleiner Fakten-Check
dazu: Am (ziemlich frühen) Morgen des 1.April 1971 durfte
ich mit einführenden Worten die Service-Welle Bayern 3
eröffnen. (Spätere Moderatoren u.a. Günter Jauch, Thomas
Gottschalk, der dann bei meinem Weggang nach Stuttgart
auch meine Hörfunk-Sendungen übernahm) SWF 3 gab es dann
doch tatsächlich schon ab 1.Januar 1975, also bloß ein
paar Monate (naja: 3 Jahre und 9 Monate, um genau zu
sein!) später. Soviel zum Thema „das Original“.
Wikipedia behauptet dazu übrigens auch, SWF 3 habe „Das
erste, in „Selbstfahrertechnik“ aufgebaute, kleine Studio
im Keller“ gehabt. Das mag – aber nur, was den Keller
angeht – stimmen. Das BR-Studio war ganz normal in einem
der oberen Stockwerke...
Der
SDR-Popmusik-Programmgestalter Peter Mordo hatte wohl eine
oder mehrere meiner CLUB 16-Sendungen auf Bayern 3 gehört
und fragte mich an. Da der BR zu jener Zeit als ziemlich
„schwarz“ galt - (mehr oder minder sicherem Vernehmen nach
ist Eberhard Stanjek damals nur Sportfunk-Chef geworden,
nachdem er vorher noch schnell in die CSU eingetreten war)
- und überdies die strikte Regel hatte, daß
Nachrichtensprecher auf keinen Fall Unterhaltungssendungen
moderieren durften, kam mir das Angebot aus Stuttgart
grade recht. Nur und ausschließlich Nachrichten zu
verlesen, war jetzt nicht unbedingt mein Wunschtraum. Drei
Jahre pendelte ich dann zwischen SDR und BR, bis ich 1975
den BR verließ und aus Gräfelfing weg wieder in die
Stuttgarter Gegend übersiedelte. Beim Südfunk hab ich dann
– außer Sport - so ziemlich alles gemacht, was man mich
machen ließ. Wurde allerdings wegen diverser
Unbotmäßigkeiten in unregelmäßigen Abständen zum damaligen
Programmdirektor Kehm vorgeladen. Das war übrigens noch im
alten Südfunk-Gebäude in der Neckarstraße 145, wo heute
die Staatsanwaltschaft untergebracht ist. Aber das ist
eine andere Geschichte...
BR-Autogrammkarte
2. Ihr Markenzeichen war
sowohl bei den Kino-Tipps als auch in Ihren Musiksendungen
stets eine gehörige Portion Zynismus (der von so manchen
Hörern als Boshaftigkeit ausgelegt wurde). Beschreiben Sie
bitte kurz die Beweggründe, die Sie zu diesem
Moderationsstil veranlasst haben.
Wie Humphrey Bogart ganz richtig bemerkte:
„Realität ist eine Illusion, die durch Mangel an Alkohol
entsteht.“
Nun ist das Wort Zynismus „in seinen
Bedeutungen vielfältig und in seinem Gebrauch diffus“, wie
Wikipedia meint. Ich selber sehe mich auch mehr als
Ironiker und weniger als Zyniker. Nun ist das Dumme an der
Ironie halt nur: wenn sie jeder versteht, isses keine
mehr. Daher rührt wohl eben auch die Annahme, ich sei
Zyniker. Was nicht heißen soll, daß ich nicht zynisch
werden kann, wenns angebracht ist. Grober Klotz, grober
Keil, gell?
Beweggrund für meinen Moderationsstil
war schon eher schlicht die Absicht, mich nicht zu
verstellen oder zu verbiegen und den Hörern gegenüber –
wenns sein mußte auch schonungslos – ehrlich zu bleiben.
Die heutige Art in penetrant fröhlicher, nervtötend
aufgedrehter und meistens doch erkennbar nur simulierter
guter Laune alles im selben unverbindlichen Plauderton
wegzumoderieren, geht mir ziemlich aufn Senkel. Und treibt
ja die merkwürdigsten Blüten: neulich hat auf (dem doch
angeblich so seriösen) Sender arte eine sehr blonde
Moderateuse zu einem tragischen Film (Holocaust etc) doch
allen Ernstes mit strahlendem Lächeln „spannende
Unterhaltung“ gewunschen. Da soll man nicht zynisch
werden?
3. Wie bewerten Sie aus
heutiger Sicht das Programm von Südfunk 3 (vor der
Formatierung in den Achtzigern)? Was war das
Außergewöhnliche daran?
Zwei Zitate aus
Wikipedia: "Als der Pop Shop im neuen durchgängigen
Wellenkonzept von SWF3 (Sendestart am 1. Januar 1975) in
den Abend verlegt wurde, entwickelten die
Südfunk-Redakteure Hendrik Bussiek, Peter Kreglinger,
Günter Verdin... ein neues Konzept einer Jugendsendung für
den Nachmittag:… POINT stand für Pop, Orientierung,
Information, Notizen, Tipps."
Das ist, wie vieles
in Wikipedia, nicht wirklich falsch, aber auch nicht ganz
richtig. Meines Wissens war Popmusik-Chef Peter Mordo
(zumindest Mit-)Erfinder des Akronyms POINT.
"Das
Ziel von POINT war es, die Dinge, die Jugendliche
interessierten,... auf den Punkt zu bringen….Themen wie
Jugendarbeitslosigkeit, Studienplatzmangel, Nachrüstung
und Friedensbewegung...Die Produzenten von POINT
verfolgten das Konzept eines lobbyistischen und kritischen
Sprachrohrs für Jugendliche….Der Pop Shop von SWF3
entwickelte sich in dieser Zeit mehr zu einem
Musikmagazin."
Kann man so sehen, Dudelfunk halt.
Das Experiment POINT eskalierte jedoch, als sich die
Sendeleitung und der Rundfunkrat an einer Live-Diskussion
von Rudi Dutschke mit Hörern am 14. Oktober 1976 sowie der
Liveausstrahlung eines Auftritts der schwulen
Kabarettgruppe „Brühwarm“ aus Heidelberg störten.
Genau: Bussiek wurde damals gerügt, er habe, als der
Gesprächspartner das schlimme Wort „Gleitgel“ benutzte,
nicht relativierend eingegriffen. Bis zum heutigen Tag
frage ich mich, wie man Gleitgel relativieren könnte… Aber
immer dran denken:; es war die Zeit der
°Schleyer-Entführung“, die ja dann auch mich meine
POINT-Moderation kostete.
Die absehbaren
Konsequenzen für den verantwortlichen Redakteur Hendrik
Bussiek führten zu einer bislang einmaligen Aktion in der
bundesdeutschen Rundfunklandschaft: Initiiert vom „Club
Alpha 60“ in Schwäbisch Hall gründete sich eine
Hörerinitiative zur Unterstützung der POINT-Macher, die
etwa 18.000 Unterschriften sammelte. Erreicht wurde zwar
eine Sondersendung … Hier sicherten Chefredakteur Klett
und der stellvertretende Programmdirektor Friedmar Lüke
den Erhalt der Sendung zu, Bussiek selbst wurde trotzdem
von seiner Position entbunden und anschließend als
Korrespondent nach Berlin versetzt.
Wärs nach
Chefredakteur Klett gegangen, wär Bussiek nach Sibirien
versetzt worden, das ging nich, also mußte er halt
Ost-Berlin machen. Kreglinger wurde um ein Haar ganz
gefeuert. Und zwar weil, während Redakteur Rüdiger Becker
bei Klett im Büro saß, um seinen POINT-Kommentar, der für
16Uhr20 vorgesehen war,
zensieren...äh...redigieren...äh...absegnen zu lassen,
Kreglinger in der Überbrückungsmoderation sagte: „...jetzt
hat die Leitung nach Moskau nicht geklappt, der Beitrag
von Sowieso ist uns auch ausgefallen, und ob Rüdiger
Becker mit seinem Kommentar noch kommt, ist auch fraglich.
Was kann ich Ihnen noch sagen? Naja, die Zeit vielleicht,
es ist 16 Uhr 19...“ Dann lief Musik – und Roderich Klett
zu Höchstform auf: ich hätte den Hörern gesagt, er wolle
einen Kommentar verhindern!
Auf meinen Einwand, ich
hätte zum Zeitpunkt meiner Äußerungen doch gar nicht
wissen können, daß Becker bei ihm im Büro sitze, und das
doch auch erst im Nachhinein erfahren, erwiderte er mit
ebenso lachhafter wie unwiderlegbarer Logik: „Ja, sehen
Sie, das ist ja das gefährliche an Ihnen, daß Sie immer
über Sachen reden, von denen Sie gar nichts wissen!“
Jedenfalls durfte ich von Stund an nie wieder POINT
moderieren. Und: Chefredakteur Klett wollte mich sogar
ARD-weit sperren lassen. Es gab allerdings Unterstützung
für mich z.B. von Popmusik-Chef Peter Mordo, der einen
Brief an den Intendanten schrieb, es gab dann sogar eine
Sitzung mit der Leitung des Hauses, also Intendant,
Verwaltungsdirektor, Chefredakteur Hörfunk (Klett) und
Fernsehen (Jaedicke). Als sich (offenbar nur fast) alle
einig waren, sagte Jaedicke ganz trocken und sehr
schwäbisch: „Des kennet er net mache, des isch a guader
Kerle“. (Den Wortlaut hat mir der Intendant übrigens
später auf Nachfrage bestätigt!) Damit war der Käs´gessen,
wie man so schön sagt. Jaedicke holte mich zum Fernsehen,
wo ich die erste Kinder-Nachrichtensendung im deutschen
Fernsehen (DURCHBLICK) moderierte. Und auf seine Anregung
hin meine aktuelle Filmsendung KINOKALENDER (Titel von
ihm) etablieren durfte.
Um die Frage doch noch zu
beantworten: Das besondere an Südfunk3 – bevor Hans-Peter
Archner von einem Aufenthalt in USA zurückkehrte und das
Rad(io) neu erfand und bevor ein linientreuer
Chefredakteur und ein vom SWF importierter Sendeleiter das
Programm und seine Macher an die Leine legten - war
schlicht, daß da Leute mit Enthusiasmus ein Programm für
eher anspruchsvolle junge Hörer und deren Belange machten
– und nicht für Einschaltquote oder die Bedürfnisse von
Werbeagenturen. Formatradio mag zwar so heißen, hat aber
genau das eben nicht: Format.
Peter Kreglinger (lks.) mit Hendrik Bussiek und Günter
Verdin (re.)
4. Noch heute
erzählen sich langjährige SDR-Mitarbeiter die Geschichte,
die sich an einem Freitag Abend zutrug. Während der
Sendung „Schlaf Rock“, die sie ab 22.00 Uhr moderierten,
drangen einige Personen aus der Hausbesetzer-Szene in das
Sendestudio ein, um eine „Durchsage“ über den Sender zu
schicken. Sie haben damals schnell reagiert und auf das
ARD Nachtprogramm umschalten lassen, so dass die Aktion
ins Leere lief. Wie haben Sie die Situation damals erlebt?
Wie gingen Sie damals mit der Kritik um, die manche
SDR-Verantwortlichen an Ihrer Entscheidung übten?
Also ich kann mich nicht erinnern, daß von den
Verantwortlichen jemand an mir oder meiner Entscheidung
Kritik geübt hätte. Lediglich vom
Betriebsschutz-Mitarbeiter Grastadt (Amerika-Fan, leider
kurz vor oder nach Erreichung seines Ruhestandes, den er
eigentlich in Florida verbringen wollte, verstorben – Gott
hab ihn selig! - den ich ab und zu mit
Country-Musik-Platten versorgte) kam als Kommentar am
nächsten Tag der Spruch: „Die hat der Kreglinger doch
reingelassen, die linke Sau.“ Hab ich ihm nicht
übelgenommen, war halt sein Weltbild.
Im übrigen
war das ja auch gar nicht meine „Entscheidung“. Die Typen
waren durch die Tiefgarage ins Haus gelangt und verirrten
sich heillos, weil im SDR die Studios in Ebene 4 sind, der
Haupteingang quasi Ebene 5, sie aber mit dem Fahrstuhl in
Ebene 6 etc. gefahren waren. Die wenigen, die ins Studio
gefunden hatten, verlangten nun, daß ich eine Erklärung
verlese. Während also die Musik noch lief, fragte ich
dann, ob sie denn auch den Schaltraum besetzt hätten. Was
das denn sei, wurde zurückgefragt. Natürlich kann die
Senderegie immer mithören, was im Studio geredet wird. Und
so kam es, daß der inzwischen im Sendestudio draußen
hinter der Scheibe aufgetauchte Intendant Prof.Dr.Hans
Bausch, auf meine Frage über die Gegensprechanlage an ihn,
ob ich denn diese Erklärung nun verlesen dürfe, freundlich
grinsend nickte. Da wußte ich natürlich, daß der
Schaltraum aufs ARD-Nachtprogramm umgeschaltet hatte und
verlas ungerührt diese Erklärung. Daß nichts davon über
den Sender ging, erfuhren die tapferen Besetzer wohl erst
später.
Das Chaos im Haus hatte auch durchaus
komische Züge. Mein Freund und Kollege Gerd Rüdiger
(später beim SFB in Berlin) kam in einem der oberen
Stockwerke sehr spät aus dem Büro und traf nun im Gang auf
einen Schlapphut-Träger im Trenchcoat, der sich auf der
Verbrechersuche wohl ebenfalls verirrt hatte und in
verschwörerischem Ton raunte: „Ham Sie irgendwo meine
Kollegen von der Kripo gesehen?“
Natürlich rief bei
mir zuhaus am nächsten Morgen um 7 Uhr als erstes die
Bild-Zeitung an. Eingedenk des Sprichworts: „Wer Pech
anfaßt, besudelt sich“ hab ich damals lediglich erklärt,
daß ich nichts dazu sage und aufgelegt. Zwei Dinge habe
ich im ganzen Leben immer strikt vermieden: bei McDonalds
zu essen und mit der BildZeitung zu reden. Die haben dann
später auch versucht, mir das mit ein, zwei Fake-Meldungen
heimzuzahlen.
5. Wie beurteilen Sie
persönlich die Zukunft des Radios? Kann sich das Medium
langfristig neben Angeboten wie Spotify eine Marktposition
sichern oder ist traditionelles Radio eher ein
Auslaufmodell?
Naja, auf Radio in
der Form und Art der 70er, 80er Jahre ist wohl keiner mehr
angewiesen. Im Auto hat man CD oder über Bluetooth die
eigene Musik vom Handy, ich kann Podcasts hören. Lineares
Radio ist so tot wie lineares Fernsehen. Vor allem auch
weil die Musikauswahl inzwischen ja vom Computer
bewerkstelligt wird: Random play heißt das Zauberwort, das
bewirkt, daß ich (wenn ich noch Radio hören würde!)
montags um 7, Dienstag um 15Uhr17, mittwochs um 10Uhr42
und donnerstags um 17Uhr38 „Hermans Hermits“ mit „No milk
today“ hören müßte. (Würg!) .
Programmgestalter (im Wortsinn) gibts wohl nicht mehr, nur
Leute, die halt 1000 Titel in ein Programm einpflegen.
Nicht einmal für die Verkehrshinweise braucht man
noch Radio, jedes Navi, jede Navi-App im Handy ist besser
und regional aktueller als die dämlichen Verkehrshinweise im
Radio. Am dämlichsten auch hier der Deutschlandfunk: „...mit
Staus ab 1 Kilometer Länge...“ heißt es da manchmal – Hallo:
das sind 1000 Meter, das kann man laufen! Dann wieder, wenn
weniger Zeit ist: ...“mit Staus ab 6 Kilometer Länge...“
ja,was denn nun? Alle andern sind plötzlich unwichtig?
Allein an diesem Beispiel sieht
man, daß das mühselige Gestotter der noch dazu mit manchen
Ortsnamen überforderten (und beim SWR meist krampfhaft
fröhlichen) Sprecherinnen so überflüssig ist wie ein Kropf.
Ich kenne jedenfalls niemand, der beruflich Auto fährt und
sich dabei aufs Radio verlassen würde. Die werbetreibende
Wirtschaft macht noch gerne Werbung in den Privatsendern mit
regionalem Bezug, Zielgruppe: Mutti beim Kochen in der Küche
oder Opa im Lehnstuhl. Und natürlich für die Beschallung in
der Muckibude. Die Privatsender versuchen auch immer noch
angestrengt, ihre Modera-Toren und – Törinnen zu
Berühmtheiten hochzupushen: „Und nun die Morning-Show mit
Dumpfbacke Jason Zwiebelzwack und Chantal Carmen
Schäuffele...“ Was dann zu zwei Stunden fröhlich
aufgesetztem Gegacker führt. (Ich fand Zweier-Moderationen
schon immer obsolet.) Die Zeiten, als Leute wie Hermann
Haarmann, Günter Freund, Fred Metzler (beim SDR) wirkliche
Stars waren, übers Sendegebiet hinaus bekannt und beliebt,
sind längst vorbei, schon deshalb, weil es ja inzwischen
eine unüberschaubare Zahl an popligen
Privatsendern gibt.
Herr Kreglinger, herzlichen Dank für das
hochinteressante Gespräch.
Mitschnitt mit Auszügen aus drei Sendungen, u.a. aus Point
und dem Club 19 auf Südfunk 2.
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