Einer der ganz Großen hat
die Bühne viel zu früh verlassen
"Only The Good
Die Young" heißt es in einem Sprichwort. Wie wahr - und
wie traurig. Am 31. Oktober 2019 ist Thomas Schmidt,
Moderator von SDR3/SWR1, völlig überraschend verstorben.
Er wurde nur 62 Jahre alt. Sie sind über die Jahre rar
geworden, die echten Radio-Persönlichkeiten. Thomas
Schmidt war definitiv eine solche Persönlichkeit. Im
Programm von SWR 1 Baden-Württemberg wird er nicht einmal
ansatzweise zu ersetzen sein.
Thomas Schmidt wurde
am 25. Mai 1957 in Westfalen geboren. Zunächst machte er
eine Ausbildung zum Sozialversicherungsangestellten. Zum
Radio kam er 1984 als Quereinsteiger. Beim SDR war er
zunächst in den Regionalprogrammen von Kurpfalz-Radio und
Radio Stuttgart zu hören, ab Herbst 1986 dann auf SDR 3.
Schon damals zeigte sich sein außergewöhnliches Talent.
Schmidt war nicht nur ein genialer Moderator, der stets
irgendwie gesellig und witzig, aber auch äußerst kompetent
wirkte. Er fuhr seine Sendungen "wie aus einem Guss",
entwickelte neue Formate und hatte engen Bezug zur Musik.
Im ersten Jahr nach der Fusion mit dem Südwestfunk im
Jahre 1998 war Schmidt auf SWR 3 zu hören. Dann zog es es
ihn zurück nach Stuttgart, wo er fortan bei SWR 1
Baden-Württemberg zu hören war. Hier moderierte er viele
Jahre lang bevorzugt die Frühsendung "Guten Morgen
Baden-Württemberg" und wurde damit zum Aushängeschild des
Programms. Im Februar 2015 wechselte er auf eigenen Wunsch
ins Nachmittagsprogramm und etablierte außerdem mit
"Schmidts Samstag" eine neue Personality Show am
Wochenende.
Doch natürlich gab es noch ein weiteres
Highlight im Leben von Thomas Schmidt. Als SDR 3 als
Vollprogramm 1989 zehn Jahre alt wurde, wollte man dieses
Jubiläum natürlich gebührend feiern. Zusammen mit seinem
Kollegen Stefan Siller entwickelte Schmidt das Konzept für
die Top 1000 X, die erste Mega-Hitparade im "Wilden
Süden", der noch viele folgen sollten. Die Top 1000 X lief
sechs Tage rund um die Uhr, die Moderation stemmten Siller
und Schmidt ganz alleine. Die Abschlussveranstaltung im
Park der Villa Berg (gleich neben dem Stuttgarter
Funkhaus) war ein unglaubliches Event, das in die
Geschichte des Senders einging. Erst vor wenigen Wochen
ließ Thomas Schmidt anlässlich der Mega-Hitparade 2019 in
SWR 1 Leute zusammen mit Stefan Siller das Event von
damals Revue passieren. Unbedingt empfehlenwert ist auch
das Buch zur "Top 1000 X".
Im Laufe der Jahre hat
sich viel verändert beim SWR. Dass Moderatoren in die
Musikplanung manuell eingreifen (wie es Schmidt oft und
gerne tat), war abgesehen von einigen Spezialsendungen,
kaum mehr möglich. So waren einige seiner vielen
Lieblingssongs, die er gerne mal "händisch" ins Programm
gehoben hatte, nur noch recht selten zu hören: Starbuck
mit "Moonlight Feels Right", die Starland Vocal Band mit
"Afternoon Delight" oder auch Hall & Oates mit "I Can't Go
For That". Doch Schmidt war keiner, der jammerte. Als ich
ihn vor einigen Jahren für die Rubrik "Fünf Fragen an..."
auf meiner Homepage sdr3-history.de interviewte, meinte er
zu diesem Thema: "Es wird sehr viel mehr geplant als
früher, es gibt mehr Systematik, mehr Kommunikation, schon
alleine dadurch, dass Sendestudio und viele
Redaktionsbüros nicht mehr getrennt, sondern in einem
einzigen großen Raum untergebracht sind . Das hat
Vorteile, Sendungen werden verlässlicher und gründlicher
vorbereitet. Der Nachteil: für Spontanes fehlt mir für
meinen Geschmack etwas zu häufig die Luft zum Atmen.
Einfach mal ins Studio schlappen, Stapel Platten dabei,
loslegen und gucken, was passiert – das ist längst passé.
Bisschen schade, aber die Zeiten ändern sich, und bevor
ich die Vergangenheit verkläre: Genau diese gerade
genannte Herangehensweise hat früher bisweilen zu
Sendungen geführt, die ich heute lieber nicht mehr hören
möchte." Dass er sich mit all dem abgefunden hatte und dem
"Planungwahn" sogar noch etwas Positives abgewinnen
konnte, war typisch für Thomas Schmidt. Er war keiner, der
sich aufregte. So lange ihm die Arbeit beim Radio Spaß
machte - und das tat sie bis zuletzt - war sein Motto
stets "Nur kein Stress".
Nach dem Interview für
meine Homepage hatte ich mit Thomas Schmidt häufiger
Kontakt. Er erzählte mir, dass er früher
leidenschaftlicher Hörer des AFN gewesen sei und dass er
schon seit vielen Jahren ein großer Freund
niederländischer Hörfunkprogramme sei. "Die können das.
Das ist eine ganz andere Welt, nicht vergleichbar mit
Radio in Deutschland", meinte er. "Die extrem lockere Art
der Präsentation und der Umgang mit der Sendetechnik ist
auch bei kleineren Sendern perfekt. Und die Musik-Rotation
mit tausenden Songs führt einem vor Augen, wie viel gute
Musik es gibt und wie wenig davon in Deutschland im Radio
läuft". Persönlich kennen gelernt habe ich Thomas Schmidt
leider nie. Wir hatten das immer mal wieder ins Auge
gefasst, doch letztendlich scheiterte ein Treffen stets an
Termin-Kollisionen.
Neben "Nur kein Stress" hatte
Thomas Schmidt noch ein zweites Lebensmotto, das er sich
während seiner AFN-Zeit verinnerlicht hatte: "You stay
young by believin' in the future instead of hangin' on to
the past". Thomas Schmidt hatte für die Zukunft sicher
noch viele Ideen. Deren Umsetzung bleibt ihm nun verwehrt.
Michael Louis
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